Konzertreise nach Irland — irisches Tagebuch
amstag, 26.4.2008 – kurz nach null Uhr verlässt ein Tross von drei VW-Bussen den Parkplatz am Linsengraben. Wenig später wird ein PKW mit Nachzüglern folgen. Ihr Ziel: Flughafen Hahn. Wir, die Gospel Voices, starten unsere erste Workshop- und Konzertreise nach Castlebar im Westen Irlands. Um sieben Uhr Ortszeit (MESZ –1) landen wir nach einem ruhigen Flug in Dublin, übernehmen unsere Mietwagen und ab geht’s Richtung Westen.
Klingt deutlich entspannter als es in Wirklichkeit ist: die durchwachte Nacht, der Dubliner Samstag-Morgen-Verkehr, links fahren, rechts steuern, links schalten verlangen doch einiges an Konzentration. Trotzdem erreichen wir fast unbeschadet Tullamore im Herzen Irlands, wo eine Mittagspause eingeplant ist. Nicht ohne Grund, liegt hier doch der Ursprung des bekannten Dew’s, dem “Uisce Bheatha”, wie die Iren ihren Whiskey nennen.
Nach Besichtigung der leider nicht mehr betriebenen Destillerie mit anschließender Whiskey-Verkostung (doch nicht die Fahrer!) und einem guten Mittagessen im Heritage Centre machen wir uns weiter auf den Weg. Auch wenn die malerischen Ortschaften, durch die wir kommen, dem Auge viel Abwechslung bieten, so werden die Kilometer auf den meistens schmalen, oft von Mauern gesäumten, sich durch die grüne hügelige Landschaft windenden Straßen doch deutlich länger als bei uns. So wird es früher Abend bis wir uns in der Lodge Lough Lannagh Village am Rand von Castlebar einquartieren können.
Gerry und Bernard vom Castlebar Gospel Choir führen uns in die Stadt, um ein Restaurant zu suchen, in dem wir alle Platz finden. Ist gar nicht so leicht Samstag abends, aber schließlich kommen wir doch alle bei einem Chinesen unter. Müde und erschöpft von der langen Reise wird der Abend dort aber nicht zu lange und so laufen wir bald wieder zurück zur Lodge, wo alle schnell den Schlaf der (mehr oder weniger) Gerechten schlafen.
Ausgeruht nach unserem ersten irischen Frühstück mit Tea or Coffee, Bacon and Eggs, Sausages, gedünsteten Tomaten, Toast und Marmelade, und last but not least den berühmten cereals machen wir uns am Sonntag Morgen auf den Weg zur Kathedrale, wo wir einen Gottesdienst mitgestalten sollen. Bernard, Gerry und Father Mike Murphy sind schon mit der Technik zu Gange als wir ankommen, sodass wir gleich mit dem Einsingen beginnen können. Um zehn Uhr ist die Kathedrale, immerhin von der Größe der Altstädter Kirche, fast bis auf den letzten Platz gefüllt — und das obwohl danach noch zwei Gottesdienste stattfinden. Konzentration und Anspannung bei uns und die Frage, wie unsere extra für diesen Gottesdienst einstudierte Ethno Mass for Peace hier gefallen würde. Eine erste Antwort darauf bekommen wir schon während des Gottesdiensts, wo nach unseren Liedern immer wieder Beifall geklatscht wird — etwas in Irland absolut Unübliches, wie man uns hinterher zu verstehen gibt. Und nach dem Gottesdienst kommen viele Leute zu uns, um sich zu bedanken und zu erzählen, wie sehr es ihnen gefallen hat.
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Aber für uns bleibt keine Zeit, uns auf den frisch erworbenen Lorbeeren auszuruhen. Im Gemeindehaus gegenüber wartet der irische Gospelchor mit Tea, Coffee und Snacks auf uns und darauf, dass der gemeinsame Workshop für unser Konzert am Montag beginnt. Der Nachmittag vergeht so mit sich kennen lernen und proben, reden und singen und der Abend sieht uns dann in Cox’s Restaurant, wo wir ausgezeichnet zu Abend essen und uns danach an der Bar das eine oder andere Guinness schmecken lassen. Irgendwann zieht’s uns dann aber doch zurück zur Lodge, die mit ihren bequemen Betten lockt.
Der Montag ist ausgefüllt mit einem Ausflug nach Ashford Castle und einer Wanderung durch seine herrlichen Parkanlagen…
…bevor wir uns am frühen Abend nach Ballintubber Abbey, einer Kirche aus dem 13. Jahrhundert, begeben, wo unser gemeinsames Konzert mit dem Castlebar Gospel Choir heute Abend stattfindet. Pierce Brosnan hat hier geheiratet! Nach einem kurzen Spaziergang durch den von der Abendsonne überfluteten, wunderschön am Hang gelegenen Friedhof mit seinem Kreuzweg, beginnen wir mit den Vorbereitungen auf unser Konzert. Auch heute Abend schaffen es beide Chöre, das Publikum mitzureißen, und so ist die Zufriedenheit bei allen Beteiligten am Ende des Konzerts groß, auch bei der kleinen Gruppe deutscher Au Pair Girls, die hier in der Gegend arbeiten und die sich den Besuch eines deutschen Chores nicht entgehen lassen wollten.
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Der Umzug ins Pub auf der anderen Straßenseite ist daher nur noch Formsache. Es beginnt eine Session mit Gospels, irischen und deutschen Songs, bei denen sich Thomas an der Gitarre, Father Mike, Gerry (ein begnadeter Rapper), Heide und Uli besonders auszeichnen. Auch Hermann quält sich sein „Whiskey, rye whiskey“ aus der nach demselben und Guinness lechzenden Kehle, während er doch, wie die anderen Fahrer auch, dazu verdammt ist, seinen Durst mit herrlich frischem, köstlich klarem irischem Tafelwasser zu stillen.
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Viel zu früh ergeht die Aufforderung „last orders, please“ und dann… “the party is over“ (kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor?) No, the party’s not over, yet! In der Resident’s Kitchen der Lodge gehts noch weiter. Moirin und Niamh haben sich überreden lassen, noch mitzukommen, und so verbringt ein harter Kern bei Bier, Wein, Whiskey und Wasser!!! mit fragen und antworten, erzählen und zuhören, singen und rauchen (draußen!!!) die Nacht – fast bis der Morgen graut.
So muss es nicht wundern, dass der eine oder andere schwächelt, als es am nächsten Tag aufgeht zum Croagh Patrick, dem heiligen Berg Irlands. Aber die meisten machen sich tapfer auf den Weg, auch wenn es nur eine kleine Gruppe bei herrlichem Wetter bis zum Gipfel schafft. Das bisschen Regen auf dem Rückweg (oder war’s doch etwas mehr?) ist eigentlich nicht erwähnenswert, damit muss man in Irland sowieso stündlich rechnen.
Abends geht’s dann nach Balla, um im „Mannion’s“ traditional irish life music zu hören. Bevor es aber mit der life music ernst wird, absolvieren einige von uns im Pub einen Kurs in irischem Line Dance. Heide und Uli revanchieren sich, indem sie einigen irischen Ladies fränkische Volkstänze beibringen. Endlich packen die Musiker (keine bezahlte Band, sondern Amateure, die aus Spaß an der Freude spielen) ihre Instrumente aus und beginnen zu spielen. Hervorragende Könner an ihren Instrumenten, spielen sie wunderschöne Melodien, denen man endlos zuhören könnte. Aber bald werden auch wir aufgefordert, einige Gospels zum Besten zu geben und wir lassen uns natürlich nicht lange bitten. Heide und Uli runden das Programm mit deutschen Küchenliedern ab. So endet dieser Abend ähnlich wie der vorige: zur Sperrstunde entlässt das Pub nach einem musikalisch gut durchgemischtem Programm ein begeistertes Publikum nach Hause.
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Da der Vorabend nicht übertrieben exzessiv verlaufen war, treten wir am Mittwoch unsere geplante Wanderung entlang des Killary Harbour, Irlands einzigem Fjord, in relativ vollständiger Besetzung an. Auf einem anfangs gut begehbaren Weg genießen wir die Aussicht auf den Fjord mit seinen Muschelnetzen und die ihn umgebenden Berge. Später muss sich unsere Aufmerksamkeit mehr auf den immer holpriger und schmaler werdenden Weg konzentrieren, der das Weiterkommen durch immer größer werdende morastige Stellen erschwert. Wir beneiden die Schafe, wie sie abseits des Weges leichtfüßig von Felsen zu Felsen springen! Als die Tour immer mehr zur Kletterpartie wird, entschließt sich ein Großteil der Gruppe, umzukehren, während einige wenigstens bis dahin laufen wollen, „wo man das richtige Meer sieht“.
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Kaum an unserem vereinbarten Treffpunkt in Leenaun angekommen erreicht uns – Handy sei Dank – die Nachricht, dass Uli gestürzt ist und sich an der Schulter verletzt hat.
Zum Glück stellt sich abends in Castlebar heraus, dass die Verletzung nicht schwerwiegend ist – kein Wunder bei Ulis Nehmerqualitäten! Noch dazu kann er die Erfahrung machen, dass die Wartezeiten in irischen Krankenhäusern auch nicht kürzer sind als bei uns. Als Fahrer fällt er nun natürlich aus, but no problem at all, Bernhard übernimmt souverän diese „linke irische Tour“ für den Rest der Reise.
Am Abend zieht’s uns zu McCarthy’s, wo wieder traditional life music angesagt ist. Als wir ankommen ist das Pub voll mit Fußballfans, die dann leider das Ausscheiden ihrer Mannschaft aus der Champions League miterleben müssen. Das trübt die Stimmung im Pub aber keineswegs nachhaltig. Spätestens als die Musik beginnt zu spielen steigt die Laune wieder und es entwickelt sich wie am Abend zuvor: irische Songs, Gospels, deutsche Lieder, reden, zuhören und der eine oder andere Schluck Guinness… Wir haben unsere Betten auch an diesem Abend gefunden!
Der Donnerstag bringt uns nach Westport. Nach den doch recht ausgedehnten Wanderungen an den Tagen zuvor gestatten wir uns einen gemütlichen Einkaufsbummel in der malerischen City des idyllisch an der Clew Bay gelegenen Städtchens. Die vielen kleinen Läden, Coffee-Shops und Tea-Rooms mit ihren bunten Fronten und Schildern präsentieren uns ein Irland wie es irischer nicht sein kann, aber nichts wirkt hier kitschig!
Nachdem unser Bedarf an Souvenirs gedeckt ist, kehren wir zurück nach Castlebar. Bevor wir heute Abend zur gemeinsamen Chorprobe mit dem Castlebar Gospelchoir aufbrechen, sollten wir schon mit dem Packen beginnen, sonst wird’s morgen früh beim Aufbruch möglicherweise zu hektisch. Da können wir von den Iren viel lernen. Worte wie Hektik und Stress scheinen die nicht zu kennen. Das zeigt sich auch bei der Probe am Abend: mit erstaunlicher Gelassenheit tauchen die meisten deutlich nach Probenbeginn auf und auch die Chorleiterin Kathy macht erst nach einer halben Stunde Anstalten, zu beginnen. Da gewinnt das Wort Pünktlichkeit eine ganz andere Bedeutung! Für das Probenende gilt das aber nicht! Da drängen auch die Iren darauf, rechtzeitig Schluss zu machen, aber vielleicht nur, weil’s alle zu Codey’s zieht, wo wir unsere Farewell-Party steigen lassen wollen.
Muss ich noch viel über einen Abend in einem irischen Pub schreiben? Lässt sie sich überhaupt beschreiben, diese Stimmung? Kann man sie einem Außenstehenden vermitteln, die Freude einerseits über das gemeinsame Reden, Musizieren und Trinken, in die sich die Wehmut des nahen Abschieds mischt? Ich mag nicht versuchen, Worte dafür zu finden und kann nur sagen, dass wir die, die wir vor einer knappen Woche als Fremde trafen nun als Freunde verlassen. Aber es ist ein Wiedersehen geplant, nächstes Jahr bei uns in Baiersdorf zu unserem Gospel Open Air!
Der Freitag Morgen zeigt sich geschäftig: nach einem schnellen Frühstück werden die Autos beladen und wir starten pünktlich um neun Uhr. Gegen Mittag gibt’s noch eine Sightseeing-Pause in Clonmacnoise, der bekannten Klosteranlage, die an der Kreuzung alter Handelsstraßen im Zentrum Irlands über den Ufern des Shannon thront.
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Und dann entgültig weiter nach Dublin, das wir zur Rushhour erreichen. Trotzdem kommen wir pünktlich am Flughafen an, und nach all den notwendigen Prozeduren wie Fahrzeugrückgabe, Einchecken, ewig warten bringt uns Ryan Air zwar mit etwas Verspätung aber trotzdem sicher wieder zurück nach Hahn. Jetzt liegen nur noch etwa vier Stunden Autobahnfahrt vor uns bis die Heimat uns wieder hat. Gegen halb vier Uhr morgens am Samstag, 3. Mai, ist es dann so weit: Gospel Voices are back again!
Text: Hermann Mehrer
Fotos: Bernhard Küller, Lilo Rehm, Uli Gröschel, Carmen und Thomas Dürst, Thomas Bertz